Spätestens seit Apple Music die Kategorie „Spatial“ in sein Progamm aufgenommen hat, ist immersive Musik in aller Munde oder besser gesagt: In aller AirPods, Earbuds, Soundbars usw. Vor allem der verfügbare Katalog an Dolby Atmos-Mixes wächst rasant und Statistiken zeigen, dass Hörer:innen immersive Tonformate dem traditionellen Stereoton häufig vorziehen.
Bis vor kurzer Zeit waren objektbasierte Mixes jedoch fast ausschließlich größeren Major Label Artists vorbehalten. In letzter Zeit haben aber immer mehr Studios und Engineers ihre Systeme aufgerüstet und sowohl bei den DAW-Herstellern als auch bei den DIY-Distributoren hat sich einiges getan, sodass mittlerweile auch für Indie- und DIY-Artists der Weg zu Dolby Atmos, Binaural, Ambisonics, Sony 360 Reality Audio, Auro-3D und Co. geebnet ist. Aber wie genau geht man das Thema heran?
Egal ob du mit einem dedizierten Engineer für die immersive Mischung zusammenarbeitest oder selbständig deinen Stereomix in die dreidimensionale Welt übertragen möchtest: Dieser Artikel soll dir einen Einblick in das Remixing in immersiven Tonformaten geben, damit dein Stereo-Song auch in 3D erstrahlen kann.
Da es mittlerweile zahlreiche Ressourcen zur technischen Einrichtung von Dolby Atmos Mischungen gibt, konzentriere ich mich in diesem Artikel auf die konkreten Abläufe und Workflows bei der Erstellung einer immersiven Neumischung. Los geht’s!
Vorbereitung ist der halbe Mix
Wie bei jeder Mischung bestimmen vor allem die Zutaten das Ergebnis – wir brauchen also erstmal gute Signale! Diese generieren wir aus der originalen Stereomischung. Wer es mit Hip-Hop, Elektro, Rock und Pop zu tun hat, weiß, wie elementar der Effekteinsatz für die Klanggestaltung eines Songs sein kann. Aber auch bei der Arbeit mit Jazz oder Klassik ist es sinnvoll, die originale Klangvision der Stereoproduktion weitestgehend mitzunehmen und das Stück nicht völlig neu zu erfinden. Es ist Feingefühl gefragt, denn zum einen soll der immersive Raum klanglich bestmöglich genutzt werden, zum anderen gilt es die künstlerische Intention bestmöglich zu bewahren.
Was in Stereo super klingt, klingt meist auch in 3D super. Wir beginnen also nicht mit Einzelsignalen, sondern mit Stems und nehmen die originalen Effekte mit. Für 3D werden tendenziell etwas mehr Stems benötigt als man es beispielsweise für das Stem-Mastering gewohnt ist. Ungefähr 12-24 Stereosignale sind eine gute Orientierung für eine durchschnittliche Dolby Atmos Pop-Mischung.
In meiner Arbeit hat es sich bislang bewährt, alle Effekte beizubehalten und Reverbs und Echos zusätzlich als eigenständige Stereo-Stems zu bouncen. Im 3D-Mix kann die Räumlichkeit dann je nach Geschmack nach hinten oder oben gelegt, dupliziert oder variiert werden und man erspart sich die Mühe, den Hallraum nach Gehör in 3D nachzubauen. Manchmal arbeite ich auch direkt mit der originalen Pro Tools-Session weiter und kann beispielsweise einen Stereo-Hall direkt gegen einen 7.1.2-Hall austauschen.

De-Mixing statt Upmixing
Festplatte kaputt? Originale Session nicht mehr vorhanden? Direkt auf Tape zusammengemischt? Einzelspuren überschrieben? Eine gute Archivierung wird (bzw. wurde) leider häufig vernachlässigt und nicht immer sind die Einzelspuren oder Stems einer Produktion noch auffindbar. Was jetzt?
Ich erspare uns an dieser Stelle die Backup-Gardinenpredigt und springe direkt zur einfachen, aber schlechten Lösung dieses Problems: Beliebiges Upmix-Plugin auf den Stereo-Mix und voilà: 3D!
Upmix-Plugins haben zwar ihre Berechtigung, bieten aber auf einem Stereomix selten die kreative Flexibilität, die man für eine professionelle Musikmischung benötigt. Wir wollen schließlich unseren Song nicht in eine homogene Klangwolke verwandeln, sondern jedem Element seinen eigenen Platz im neuen Arrangement verleihen!
Die bessere Lösung: De-Mixing. Der Begriff „De-Mixing“ beschreibt den Vorgang, einen kompletten Song in seine Stems aufzutrennen, also im Idealfall die Mischung rückgängig zu machen. Das ist technisch bislang nur bedingt möglich und immer kompromissbehaftet, schließlich maskieren sich Signale einer Mischung gegenseitig und es muss mit steilen Filtern gearbeitet werden, um die Spuren wieder voneinander zu trennen. Manuell ist das kaum zu bewerkstelligen, deswegen kommt beim De-Mixing künstliche Intelligenz bzw. maschinelles Lernen zum Einsatz.

Ich habe bislang noch keinen perfekten Algorithmus gefunden, der für alle Fälle ideal funktioniert (und glaube nicht, dass es den jemals geben wird). Ich teste und kombiniere deshalb gerne verschiedene Algorithmen und Techniken für unterschiedliche Songs und Signale. Die Forschung ist in diesem Bereich aber noch in vollem Gange und die aktuellsten Algorithmen wurden vielfach noch nicht in kaufbare Produkte verwandelt. Wer sich derzeit mit dieser Thematik ernsthaft befasst, sollte also keine Angst vor Code und Kommandozeilen haben.

Wenn du einen einfacheren Weg suchst und nicht zwingend die aktuellsten Algorithmen miteinander vergleichen möchtest, gibt es auch diverse Software zu kaufen, die deinen Song in Stems auftrennen kann (z. B. Audionamix Xtrax oder iZotope RX Music Rebalance). Es gibt sogar entsprechende Online-Services (z. B. lalal.ai), bei denen die Auftrennung nicht auf dem eigenen System passiert und keine Software installiert werden muss.

Die aufgetrennten Stems können bei Bedarf anschließend noch manuell aufbereitet oder restauriert werden und dann wird eine neue Mischung aus den Stems angelegt. Zusätzlich kannst du nun natürlich immer noch Upmix-Plugins auf einzelnen Stems einsetzen oder die Signale über Lautsprecher abspielen und in einem passenden Raum mit großem Mikrofonarsenal in 3D aufnehmen, um Mehrkanalton zu erhalten. Du kannst auch den Stereomix als Basis verwenden und lediglich durch die aufgetrennten Stems ergänzen.
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Routing & Templates
In diesem Abschnitt möchte ich etwas konkreter werden und dir anhand meines eigenen Template-Workflows zeigen, wie eine professionelle 3D-Mischung angelegt werden kann. Weil aktuell vor allem die Nachfrage nach Dolby Atmos besteht und ich selbst auch primär mit Dolby Atmos arbeite, werde ich mich auf dieses Format beschränken. Die technische Implementierung unterscheidet sich zwar voneinander, aber die Voraussetzungen und Workflows lassen sich dennoch gut übertragen, falls du aktuell mit einem anderen 3D-Format arbeiten solltest. Wie die meisten professionellen Atmos-Engineers arbeite ich mit Pro Tools und der Dolby Atmos Production Suite. Die technische Einrichtung erspare ich uns an dieser Stelle, dafür gibt es an anderer Stelle mehr als genügend Material. Stürzen wir uns nun gleich in die Praxis!








Mastering & Ausspielung
Dolby Atmos Mastering sorgt für viel Verwirrung und Missverständnisse. Da es keine Summe im klassischen Sinne gibt, sind natürlich die herkömmlichen Stereo Mastering-Chains hinfällig. Viele schließen daraus, dass es so etwas wie Mastering für Dolby Atmos gar nicht gibt. Da würde ich zwar widersprechen, aber natürlich ist die eigentliche Frage, wie man Mastering definiert. Meiner Ansicht nach besteht Mastering aus drei primären Aufgaben:- Einhaltung aller technischen Spezifikationen und Formate
- Klanglich-künstlerische Qualitätskontrolle
- Optimierung der Übersetzung auf verschiedene Abhörsysteme
