Fernschule für Tontechnik & Musikproduktion

Sampling ohne Einwilligung – durch neue Rechtsprechung möglich? 

Am 7. Juni 2021 ist das Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts in Kraft getreten – die größte Urheberrechtsreform seit über zwanzig Jahren.

Wer diese Reform als ein trockenes rechtliches Thema abtut, verkennt die echte Revolution dahinter. Denn im Mittelpunkt der Gesetzgebung steht die rechtliche Bewertung von Formen der modernen Internetkultur wie Memes, GIFs oder auch das Schreiben von Fan-Fiction.

Vor allem der neue § 51a UrhG sorgt für Veränderungen im Bereich der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke. So hat der Gesetzgeber explizit die Praktiken Sampling, Medley und Remixe als Elemente zeitgemäßen kulturellen Schaffens anerkannt und damit grundsätzlich legalisiert (BT-Drs. 19/27426, 91). Ausgangspunkt ist ein neuer Begriff im Gesetz: Pastiche.

Doch was ist ein Pastiche und warum ändert der Begriff den Umgang mit dem Sampling in Deutschland?

Pastiche und Sampling

Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zu den Zwecken der Karikatur, der Parodie und des Pastiches. Somit ist die Nutzung von urheberrechtlichen Werken unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt.

Relevant ist die Neuerung vor allem für das Sampling. Hierbei werden kurze Ausschnitte aus bereits veröffentlichten Musikstücken übernommen und in das eigene Werk integriert. Vor allem aus Hip-Hop-Produktionen ist das Sampling nicht mehr wegzudenken.

Sampling ist rechtlich unbedenklich, wenn die entsprechende Einwilligung des Urhebers zur Nutzung eingeholt wird. Rechtlich problematisch sind hingegen regelmäßig die Fälle, in denen ein Musiker ohne Einwilligung Teile übernimmt und ein vermeintlich “neues Werk” schafft. Dies führt leider häufig zu langjährigen Gerichtsverfahren. So auch im viel diskutierten Fall „Metall auf Metall“, in dem die Band Kraftwerk den Musikproduzenten Moses Pelham verklagt hatte, da dieser einen 2-sekündigen Ausschnitt der Gruppe für ein neues Musikstück genutzt hatte, ohne vorab eine Lizenz zu erwerben. Aktuell beschäftigt sich der Bundesgerichtshof schon zum fünften Mal seit Klageerhebung im Jahr 1999 mit diesem Rechtsstreit.

Nicht zuletzt aufgrund dieses Falls und der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit im Bereich des Samplings reagierte der Gesetzgeber mit der Einführung des § 51a UrhG. Hierdurch ist unter bestimmten Voraussetzungen die Verwendung eines Musik-Samples ohne Einwilligung des Urhebers erlaubt, nämlich für die Zwecke eines „Pastiches“.

Was bedeutet der Begriff Pastiche?

Der Begriff “Pastiche” kommt aus dem französischen und bedeutet wörtlich übersetzt Nachahmung. In der Kunstgeschichte wurde der Begriff ursprünglich verwendet, wenn ein Künstler einen bekannten Malstil nachahmte. Aus der klassischen Musik kennt man die verwandte Bezeichnung „Pasticcio“. In einer Pastizccio-Oper werden bereits bekannte Musikstücke verschiedener Komponisten zu einer neuen Oper kombiniert.

Ein Pastiche lehnt sich an ein bestehendes Werk an und kann als eine Art Hommage oder Wertschätzung für das Original betrachtet werden. Das Ausgangswerk ist dabei noch zu erkennen, es wird aber modifiziert, indem es umgestaltet oder in einen anderen Kontext gesetzt wird. Zulässig ist demnach ein Musik-Sample, wenn es innerhalb des neuen Werks einer künstlerischen Auseinandersetzung mit Original dient.

Pastiche am Beispiel eines Selbstporträts von Vincent van Gogh

Es gibt zwei Voraussetzungen dafür, dass es sich bei einem Sample um ein Pastiche im Sinne des § 51a UrhG handelt:

1. Erkennbarer Bezug zum Original:
Bei dem eigenen Werk muss es einen erkennbaren Bezug zum Original geben, d.h. prägende Charakteristika des Originals müssen „durchschimmern“. Ein Pastiche ist immer auch eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Ursprungswerk. Es soll für einen Hörer offensichtlich sein, dass sich das Musikstück auf ein anderes Werk bezieht.

2. Wahrnehmbare Unterschiede zum Original:
Im Gegensatz zum unerlaubten Plagiat muss das eigene Werk auch wahrnehmbare Unterschiede zum Original aufweisen. Es muss einen „inneren Abstand“ zum Ursprungsstück geben

Beispiel für ein Pastiche – die Bläser-Melodie in „Crazy in Love“ stammt ursprünglich aus dem Song „Are You My Woman (Tell Me So)“ von The Chi-Lites:

Gerichte müssen sich bei der Bewertung im Einzelfall immer fragen, ob der Schutz des Urhebers oder die Kunst- oder ggf. Meinungsfreiheit des Nutzers überwiegt. Die Verwertung des Originals darf dabei nicht übermäßig beeinträchtigt werden. Überschritten ist diese Grenze definitiv, wenn eine Verwechslungsgefahr zum Original besteht. Dann ist ein Sample nicht zulässig. Sinnvoll ist es daher, die musikalische Werkausschnitte in besonders kreativer Weise einzusetzen und somit einen erkennbaren Abstand zum Ursprungswert zu wahren. Am sichersten bleibt allerdings, vor der Verwendung die Erlaubnis des Urhebers einzuholen.

Ausblick

Die Zulässigkeit von urheberrechtlich geschützten Werken ohne Einwilligung bleibt auch weiterhin eine Einzelfallabwägung. Gerade weil der Begriff „Pastiche“ für die Gerichte noch unbekannt ist, besteht weiterhin keine ausreichende Rechtssicherheit. Wie bei allen neuen Gesetzen werden erst die künftigen Entscheidungen zeigen, wie der Begriff zu definieren ist. Unsicher ist auch, wie genau der Bezug zum Original kenntlich gemacht werden muss. Eine pauschale Erlaubnis für Samples wird der § 51a UrhG wohl nicht bringen. Wenn es um den angemessenen Ausgleich zwischen dem Nutzer und Urheber geht, ist zudem zu erwarten, dass sich die Rechtsprechung auch zukünftig an den bisherigen Entscheidungen orientieren wird, die meistens zugunsten des Urhebers ausgefallen sind.

Positiv bewertet werden kann allerdings das Bestreben, die Gesetzgebung an eine digitale Kreativwirtschaft und die Internetkultur anzupassen. So werden gängige Begriffe wie Sampling oder Remix endlich in die Rechtspraxis überführt und schaffen hoffentlich zukünftig mehr Rechtssicherheit bei der Musikproduktion.

Autor

Judith Kircher
Judith Kircher
Judith Kircher ist bei HOFA als Autorin und im Backoffice tätig. Sie absolvierte erfolgreich einen Bachelor im Bereich Digitale Medien und studiert aktuell Jura an der Universität Heidelberg. Ihre bereichsübergreifenden Kenntnisse in der Medienindustrie und der Rechtswissenschaft helfen ihr, juristische Themen zu beleuchten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert