Wie wichtig ist auf dem Arbeitsmarkt ein Abschluss-Zertifikat?
Häufig wird im Rahmen einer Bewerbung verlangt, Zertifikate nachzuweisen, die Aufschluss über die persönliche Qualifikation geben und eine Einschätzung durch den potenziellen Arbeitgeber erleichtern. Die Relevanz von Abschlüssen und Weiterbildungszertifikaten dürfte dabei im deutschsprachigen Raum signifikant höher sein als in anderen Ländern und Regionen. Hintergrund ist, dass gerade große Firmen oft an bürokratischen Strukturen festhalten und sich von schriftlichen Nachweisen eine Sicherheit in der Einschätzung der Qualität von Bewerbern erhoffen. Obwohl der Umgang mit entsprechenden Dokumenten routiniert ist, kennen viele nicht die Unterschiede zwischen verschiedenen Zertifikaten und können somit deren Aussagekraft nur bedingt beurteilen.
Unterschiede von Zertifikaten
Obwohl Zertifikate im deutschsprachigen Raum so beliebt sind, können die wenigsten wirklich zuverlässig einschätzen, inwiefern sich Zertifikate qualitativ unterscheiden. Dabei spielt es eine entscheidende Rolle, ob ein Zertifikat einen Bildungsabschluss bescheinigt – was bei einem Ausbildungszeugnis, einem Bachelor- oder einem Masterstudium der Fall ist – oder ob es sich um ein Teilnahmezertifikat an einer Weiterbildung handelt.
Während Bildungsabschlüsse in der Regel mit einer Berufsbezeichnung einhergehen, sind Teilnahmezertifikate lediglich als schriftlicher Nachweis für eine Weiterbildung gedacht. Ein zentraler Unterschied ist auch, dass theoretisch jeder ein Teilnahmezertifikat ausstellen darf, während ein Bildungsabschluss durch eine Hochschule, Universität oder eine Bildungsinstitution wie die IHK vergeben wird. Diese Bildungsabschlüsse führen zu einem Berufsbild und sind in der Regel rechtlich geschützt. Sie dürfen nur dann geführt werden, wenn die entsprechend akkreditierte Weiterbildung erfolgreich absolviert wurde. Auch im Rahmen von Weiterbildungen gibt es deutliche Unterschiede, denn bestimmte Weiterbildungen sind zertifiziert. Bei Fernlehrgängen unterliegt eine Zertifizierung oft der Prüfung durch die ZFU (Zentralstelle für Fernunterricht) und stellt eine Qualitätssicherung in didaktischer und inhaltlicher Sicht dar. Fernlehrgänge mit dieser Zertifizierung können demnach grundsätzlich hochwertiger sein.
Welches Zertifikat ist anerkannt? Und wo ist es anerkannt?
Im Laufe der vergangenen Jahre gab es gravierende Änderungen in Bezug auf die Anerkennung von Bildungsabschlüssen. Dabei kursiert nach wie vor der Glaube, dass ein Bildungsabschluss in erster Linie staatlich anerkannt sein müsste. Obwohl diese Formulierung früher durchaus gebräuchlich gewesen ist, wurde sie durch die EU-weite Gleichstellung von Bildungsabschlüssen durch das Bologna-Verfahren relativiert. Konkret ist durch Bologna festgelegt, dass Bildungsabschlüsse innerhalb der EU-Staaten gleichermaßen anerkannt sind und dadurch der Bildungsgrad identisch ist, wobei sich das Bildungsniveau natürlich deutlich unterscheiden kann. Wer also beispielsweise ein Bachelor-Studium mit einer Akkreditierung oder Vergabe des Abschlusses im Ausland absolviert, erlangt faktisch den identischen Abschluss und Bildungsgrad wie bei einem Studium im Inland.
Wie bereits erwähnt, gibt es trotzdem Unterschiede im Bildungsniveau; so gilt die Universität Heidelberg in der Fachrichtung Medizin europaweit als führend oder das KIT in Karlsruhe als renommierte Universität mit technischer Ausrichtung. Hoch angesehen ist außerdem der Standort London mit einer universitären Elite. In extrem seltenen Fällen legen staatliche Institutionen oder Unternehmen Vorgaben für Abschlüsse an bestimmten Studienstandorten fest, welche sich über eine internationale Anerkennung hinwegsetzen.
Während es für Bildungsabschlüsse durch den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) eine Verordnung zur Regelung der Anerkennung und Wertigkeit von Abschlüssen gibt, gelten im Bereich von Teilnahmezertifikaten keine festgesetzten Regeln. Da Teilnahmezertifikate meist in der entsprechenden Landessprache ausgestellt werden, kann ein zukünftiger Arbeitgeber in einem anderen EU-Staat das Zertifikat nur bedingt einordnen, was natürlich zu einer Qualitätsminderung führen kann.
Nutzen des Zertifikats für ein Bewerbungsgespräch
Es ist eher selten, dass Arbeitgeber aufgrund eines Zertifikats erwarten, dass bestimmte Tätigkeiten ohne Einarbeitung durchgeführt werden können. Viel wichtiger ist, dass der Bewerber nachweisen kann, dass er sich mit der Materie beschäftigt hat und Interesse zeigt. Untersuchungen belegen, dass bei Einstellungsgesprächen die reine fachliche Qualität nicht mehr zwangsläufig an erster Stelle steht. Viele Firmen legen Wert auf einen motivierten und zuverlässigen neuen Kollegen, der sich in das Team integriert und einen soliden Job macht. Während man fachliche Aspekte als motivierte Kraft erlernen kann, sind soziale Defizite oder ein Motivationsproblem oft kaum zu in den Griff zu bekommen.
Genau hier kommen Zertifikate ins Spiel. Sie belegen nicht nur, dass man sich über einen gewissen Zeitraum mit der Materie beschäftigt hat, sondern auch, dass man nach einer Weiterbildung nach wie vor Interesse an einem bestimmten Bereich zeigt. Da Zertifikate oft von privaten Weiterbildungsanbietern vergeben werden, ist von einer nochmals höheren Motivation aufgrund einer finanziellen Hürde auszugehen.
Zwar kommt es vor, dass Unternehmen Stellen für einen befristeten Zeitraum planen, doch meist besteht ein Interesse, einen Mitarbeiter langfristig zu binden. Dies setzt voraus, dass der Bewerber nicht nur eine gewisse Kontinuität im Lebenslauf aufweisen, sondern auch Zertifikate nachweisen kann, die einen bestimmten zeitlichen Umfang einer Weiterbildung bescheinigen. Während Zertifikate für die Teilnahme an einer Wochenendweiterbildung oder einem ein- bis zweiwöchigen Lehrgang ein kleiner Pluspunkt sind, liegt der wahre Nutzen in Weiterbildungen, die über einen deutlich längeren Zeitraum von mehreren Monaten oder sogar Jahren absolviert wurden.
Weitere Vorteile haben Bewerber, die eine langfristige Weiterbildung neben einem Beruf absolviert haben, da ein zukünftiger Arbeitgeber daraus eine hohe Belastungsfähigkeit ableiten wird. Zudem dürfte es selbsterklärend sein, dass bei einer längeren Weiterbildung davon auszugehen ist, dass der Teilnehmer über die Grundlagen hinaus wertvolles Fachwissen erlangt hat und dieses im Idealfall auch praktisch anwenden kann.
Des Weiteren ist zu beachten, wo die Weiterbildung durchgeführt wurde und wer das Zertifikat ausgestellt hat. Weiterbildungsinstitutionen, Unternehmen und Coaches, die ein gewisses Standing in der Branche haben, verschaffen dir natürlich einen deutlichen Vorteil im Vergleich zu unbekannten Anbietern. Achte bei der Auswahl einer geeigneten Weiterbildung also darauf, dass es sich um eine Institution mit Einfluss handelt und diese Rang und Namen hat.
Verdiene ich mit einem Zertifikat mehr?
Leider lässt sich diese Frage sehr schwer pauschal beantworten und hängt stark von Arbeitgeber und dem konkreten Zertifikat ab. In größeren Firmen ist es beispielsweise üblich, dass ein gewisser Bildungsgrad benötigt wird, um eine höhere Gehaltsstufe zu erreichen. Zudem können manchmal bestimmte Lehrgänge absolviert werden, wodurch der Mitarbeiter neue und vor allem anspruchsvollere Tätigkeiten im Unternehmen übernehmen kann. Doch auch in Firmen ohne feste Gehaltsstufen ist ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Bildungsabschluss und Höhe des Gehalts festzustellen. Schauen wir uns einmal ein Beispiel an:
Lukas hat eine Ausbildung zum Mediengestalter Bild & Ton abgeschlossen. Da er gute Arbeit im Betrieb geleistet hat und auch seine Schulnoten überzeugend sind, bekommt Lukas von seinem Betrieb ein Übernahmeangebot mit einem Einstiegsgehalt von 2200 € brutto. Da Lukas noch jung ist, interessiert er sich für ein Bachelor-Studium im Bereich Tontechnik – dieses kostet 12.000 €. Eine stolze Summe, findet Lukas. Er informiert sich und findet heraus, dass sein Einstiegsgehalt mit abgeschlossenen Bachelor-Studium bei etwa 2800 € läge. Lukas rechnet nach und weiß, dass er nach etwa 2,5 Jahren Arbeitszeit nach Abzug von Steuern und Sozialkosten die Kosten des Bachelor-Studiums erwirtschaftet hätte. Das lohnt sich definitiv, denkt er sich und meldet sich für ein Bachelor-Studium in Tontechnik und Musikproduktion an.
Doch wie sieht es mit einem Zertifikat ggfls. ohne internationale Anerkennung aus?
Wie bereits erwähnt, kommt es stark auf das jeweilige Zertifikat und auch die Situation an. Wer eine Weiterbildung absolviert, die einer bestimmten Tätigkeit im Unternehmen dient, kann davon ausgehen, dass die Zuständigkeit für neue Prozesse im Betrieb auch höher vergütet wird. Gleiches trifft auf Verhandlungen bei Einstellungsgesprächen zu – hier punktet man mit Zertifikaten, die der ausgeschriebenen Stelle dienen und die persönliche Qualifikation betonen. Wer nur Zertifikate vorweisen kann, die keinen konkreten Nutzen für eine neue Stelle bieten, muss leider davon ausgehen, dass dies nicht finanziell honoriert wird.
Wer sich also gezielt weiterbildet, hat gute Chancen, die Kosten der Weiterbildung in kurzer Zeit wieder zu erwirtschaften und langfristig zu profitieren.
Vorteile für Selbstständige
Wer selbstständig ist, steht vor der Aufgabe, Interessenten von den eigenen Qualitäten zu überzeugen. Dazu dienen natürlich Arbeitsproben und Nachweise über vergangene Projekte, jedoch sind auch Bildungsabschlüsse und Zertifikate essenziell. Dadurch kannst du dich kompetent präsentieren und die Chance auf einen Auftrag steigern. Es spielt nicht immer eine Rolle, ob die Weiterbildung in direktem Zusammenhang mit der angebotenen Leistung steht; so ist ein Abschluss wie zum Beispiel ein Masterstudium ein grundlegend angesehener und gesellschaftlich anerkannter Kompetenznachweis. Zertifikate können vor allem dann hilfreich sein, wenn die Institution, die das Zertifikat ausstellt, eine wichtige wirtschaftliche Rolle spielt. Es zählt nicht nur die Größe und Bekanntheit des Unternehmens, sondern auch die Position im entsprechenden Tätigkeitsfeld.
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